Gesetzlich oder privat versichern?

Gesetzlich oder privat versichern?

Bei der Frage “gesetzliche oder private Krankenversicherung” handelt es sich wohl um eines der komplexesten Entscheidungsprobleme an der Schnittstelle von Berufs- und Privatleben. Sowohl die gesetzlichen als auch die privaten Krankenversicherungen haben ihre Vorteile. Welche Entscheidung ist richtig?

Vorteile der privaten Krankenversicherung

Die private Krankenversicherung organisiert den Risikoausgleich zwischen Gesunden und Kranken innerhalb einer Tarifgemeinschaft. Jeder zahlt im Laufe seiner Versichertenkarriere so viel in die private Krankenkasse ein, wie – statistisch betrachtet – seine medizinische Versorgung im Laufe seines Lebens kosten wird.

Da die private Krankenversicherung keinem Abschlusszwang unterliegt, kann sie sich ihre Vertragspartner aussuchen. Das führt zu einer günstigeren Riskostruktur als in den gesetzlichen Krankenkassen. Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung beeinflusst der Umfang der vereinbarten Leistungen natürlich den Beitrag. Auch durch eine Selbstbeteiligung kann man den Beitrag senken.

Vorteile der gesetzlichen Krankenversicherung

In der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Beitragssätze einkommensabhängig erhoben: Wer weniger verdient, zahlt geringere Beiträge – wer mehr verdient, zahlt auch mehr. Das heißt: Gerade in finanziellen Schwächephasen sinkt der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung, bei der privaten Krankenversicherung bleibt er gleich.

Wer über “gesetzliche oder private Krankenkasse” nachdenkt, muss die Frage nach seinen privaten und beruflichen Zielen und Perspektiven beantworten. Sonst verdreht sich ein anfänglicher Kostenvorteil leicht ins Gegenteil.

Leistung: Vorteil private Krankenversicherung

Betrachtet man den Leistungsunterschied zwischen privater und gesetzlicher Krankenkasse, scheinen Privatversicherte im Vorteil. Nach Ansicht der Verfechter der privaten Krankenkassen erhalten privat Versicherte beim Arzt oder im Krankenhaus bessere Leistungen:

  • Weil der Arzt für die Behandlung von Privatpatienten mehr Geld berechnen darf als bei gesetzlich Versicherten.
  • Weil der Arzt die Behandlungsmethode in größerer Freiheit als bei der gesetzlichen Regelleistung wählen kann.
  • Weil im Krankenhaus eine privatärztliche Spezialistenbehandlung (zum Beispiel durch den Chefarzt) möglich ist und der Arzt frei gewählt werden kann.

Am klarsten wird der Leistungsunterschied zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung, wenn man sich verdeutlicht, dass man zur gesetzlichen eine private Zusatzversicherung abschließen muss, um das Leistungsniveau der privaten Krankenversicherungen zu erreichen. Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen haben sich für diesen Weg entschieden.

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Dennoch: Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung werden keine Abstriche bei der notwendigen Versorgung gemacht. Wer in Deutschland krank wird, erhält immer eine Behandlung auf dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft. Das gilt natürlich auch für komplizierte und aufwendige Behandlungen. Deshalb kann allein die Betrachtung der Leistungsseite nicht zu einer ausreichend abgewägten Entscheidung führen.

Beitrag: Vorteil Gesetzliche Krankenversicherung

In der gesetzlichen Krankenversicherung wird beim Einkommen von oben nach unten und beim Familienstand von Ledigen auf Verheiratete umverteilt. Gutverdienende Ledige zahlen zwar in der Regel finanziell drauf, sind aber im Gegenzug Mitglied einer auf sozialen Ausgleich bedachten Solidargemeinschaft.

Es gilt das Prinzip der Solidarität des Stärkeren mit dem Schwächeren:

  • In der gesetzlichen Krankenversicherung wird von den besser Verdienenden zu den weniger Verdienenden umverteilt.
  • In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es außerdem einen Umverteilungsprozess von Ledigen auf Verheiratete: Nicht-erwerbstätige Ehepartner sowie alle Kinder sind ohne Zusatzbeitrag mitversichert.
  • Gesundheitsprüfungen gibt es in der gesetzlichen Krankenkasse nicht. Die Kassen dürfen chronisch Kranke oder Menschen mit erhöhtem Krankheitsrisiko nicht ablehnen.

Die private Krankenversicherung kennt diese einkommensabhängige Beitragserhebung nicht. Hier werden die Beiträge nach dem tatsächlichen Risiko bemessen. Und das ergibt sich aus dem Eintrittsalter zu Beginn der Versicherung sowie dem tatsächlichen Gesundheitszustand des Versicherten vor Vertragsabschluss.

Diese personengebundene Betrachtungsweise bedeutet aber auch: Wenn eine Familie gegründet wird und weitere Familienmitglieder hinzukommen, wird für jedes neue Familienmitglied auch ein neuer, eigenständiger Beitrag fällig. Die private Krankenversicherung bringt jungen Ledigen also in der Regel Vorteile. In einer mehrköpfigen Familie wird die private Krankenversicherung aber irgendwann teurer als die gesetzliche.

Altersabhängige Kostensteigerungen

Ältere Menschen sind statistisch gesehen häufiger und schwerer krank als jüngere. Sie verursachen damit höhere Kosten im Gesundheitswesen – sowohl für die gesetzliche als auch für die private Krankenversicherungsgemeinschaft.

Die private Krankenversicherung versucht dieses Problem zu lösen, indem sie von Anfang an vom Versicherten mehr Beitrag verlangt als eigentlich erforderlich ist. Dieser Mehrbeitrag wird angespart. Mit steigendem Alter steigt auch die Kostenbelastung. Irgendwann erreicht die Kostenbelastung den tatsächlich bezahlten Beitrag. Von diesem Zeitpunkt an wird das angesparte Kapital aufgebraucht. Auf diese Weise wird der Beitrag auch für die älteren Versicherten konstant gehalten. Der Unsicherheitsfaktor: Das Ganze funktioniert nur, wenn der Versicherer die Entwicklung an den Kapitalmärkten richtig eingeschätzt hat, die Krankheitshäufigkeit sich – gemessen an der Alterstruktur – nicht ändert und die allgemeine Kostensteigerung im Gesundheitswesen vom Versicherer richtig vorausgesehen wurde.

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Tatsächlich haben in der Vergangenheit einige Versicherungsgesellschaften die Altersrückstellung zu niedrig kalkuliert. Seit 1995 müssen die Altersrückstellungen deshalb wesentlich höher dotiert werden. Dennoch: Bei der privaten Krankenversicherung gibt es Unsicherheiten bezüglich der in Zukunft geltenden Werte.

Bei der gesetzlichen Krankenversicherung wird der Beitrag nicht durch die Risikofaktoren Alter oder Geschlecht bestimmt. Er ist ausschließlich vom Einkommen abhängig. Zu einer Beitragssteigerung wegen des Alters des Versicherten kann es deshalb nicht kommen. Die Beiträge können aber für alle Versicherten gleichermaßen steigen und fallen.

Durch das von der gesetzlichen Krankenversicherung praktizierte Umlageverfahren können sich langfristig tatsächlich Änderungen der Beitragssätze ergeben. Denn der Anteil der über 60-jährigen wird sich im Jahr 2025 gegenüber heute von 20 auf 40 Prozent verdoppeln. Angesichts ihrer heute schon angespannten finanziellen Lage können sich die gesetzlichen Krankenkassen auch nicht durch Ansparen auf diese Situation vorbereiten. Wenn der Steuerzahler nicht in erheblichem Maße einspringt oder unser Gesundheitswesen umfassend reformiert wird, sind erhöhte Beiträge vorprogrammiert.

Allgemeine Kostensteigerungen

Der medizinisch-technische Fortschritt führt zu besseren, aber in der Regel teureren Behandlungsverfahren. Auch Medikamente werden teurer und die Ärzte wollen mehr verdienen. Diese Kostensteigerungen treffen aber private und gesetzliche Krankenversicherung gleichermaßen. Sie sind für eine Entscheidung zwischen beiden Systemen nicht von erheblicher Bedeutung.

Politische Unsicherheit

Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung kann der Gesetzgeber bei Kostensteigerungen Einschnitte bei den Leistungen beschließen. Bei den privaten Versicherern ist die Lage leichter einzuschätzen: Das im Grundgesetz gesicherte Eigentumsrecht schützt vor Eingriffen. Vertraglich zugesicherte Leistungen muss eine private Krankenversicherung in jedem Fall auch erbringen. An den Konditionen kann sie nichts ändern.

Frühzeitige Entscheidung sinnvoll

Eine frühzeitige Entscheidung ist sinnvoll, denn der Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung ist keine neutrale Warteposition. Je später der Wechsel in die private Krankenversicherung erfolgt, um so größer die Wahrscheinlichkeit, dass es bei der Risikoprüfung zu Problemen kommt. Aber auch bei bester Gesundheit ist aufgrund des höheren Eintrittsalters der Beitrag zur privaten Krankenversicherung höher als bei einem frühzeitigen Beitritt.

Verschiedene Fallbeispiele

Fall 1: Der ewige Single und das kinderlose Doppelverdiener-Paar

Wer jung, gesund, ledig und kinderlos ist und bleiben möchte (und über der Beitragsbemessungsgrenze verdient), fährt mit der privaten Krankenversicherung besser. Das gleiche gilt, wenn in einer Ehe oder Partnerschaft beide Partner über der Beitragsbemessungsgrenze verdienen und keine Kinder möchten. Gegen die private Krankenversicherung spräche dann wohl nur noch ein gesellschaftliches Argument: Man entzieht sich der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung und schlägt sich auf die Seite der echten Risikogemeinschaft der privaten Krankenversicherung.

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Fall 2: Nur ein Ehepartner erzielt das Familieneinkommen

Die gesetzliche Krankenversicherung spielt ihren Vorteil voll aus, wenn ein Ehepartner keine eigenen Einkünfte hat. Bewertet man den Unterschied bei den Leistungen nicht, ist das Ergebnis des Vergleichs:

  • Ist die Ehe kinderlos, ist der Eintritt in die private Krankenversicherung in der Regel günstiger. Bei normaler Gesundheit wird bei Berufsstartern der Beitrag zur privaten Krankenversicherung die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen.
  • Kommen Kinder dazu, können die Beiträge der ganzen Familie zur privaten Krankenversicherung schon ab dem ersten Kind höher als in der gesetzlichen sein. Wer nur aufs Geld schaut und bei der privaten Krankenversicherung keinen Leistungsvorteil sieht, könnte schon vom ersten Kind an mit der gesetzlichen unter Umständen günstiger fahren. Jedenfalls sollte genau nachgerechnet werden.

Anhänger der privaten Krankenversicherung finden es angemessener, wenn man beim Vergleich das höhere Leistungsniveau der privaten Krankenkassen berücksichtigt. Dies kann man am gerechtesten tun, indem man bei der gesetzlichen die Kosten einer entsprechenden Zusatzversicherung hinzuzählt. Dann ergibt sich folgendes Ergebnis:

  • Ist die Ehe kinderlos, bleibt die private Krankenversicherung die günstigste Lösung.
  • Bis zu zwei Kindern ist der Abschluss einer privaten Krankenversicherung vertretbar.
  • Bei drei oder mehr Kindern ist es sinnvoll, sich gesetzlich zu versichern.

Fall 3: Ein Ehepartner ist “Hauptverdiener”, der andere ist aber auch berufstätig

Ein Partner erzielt Einkünfte über, der andere unter der Beitragsbemessungsgrenze. Damit ist ein Ehepartner in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Hier lautet das Ergebnis: Wer nur auf die Höhe der Beiträge achtet, kann sich mit bis zu zwei Kindern günstiger privat versichern. Berücksichtigt man die Leistungsunterschiede, so fährt man bis zum vierten Kind mit der privaten besser. Genaue Prüfung und kompetente Beratung ist auch bei dieser Fallvariante unerlässlich.

Fall 4: Beide Ehepartner erzielen Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze

Wir sprechen jetzt über Beiträge in Höhe von über 900 Euro, die beide Partner in die gesetzliche Krankenversicherung zusammen zu zahlen hätten. Wer wieder nur ans Geld denkt, fährt bis zum 3. Kind mit der privaten besser. Wenn man den Leistungsunterschied in die Überlegungen einbezieht, so wird die gesetzliche erst ab dem 7. Kind günstiger.

Fall 5: Beamte

Beamte erhalten vom Staat eine Beihilfe zu den Krankheitskosten. Nach Vorschriften des Bundes und der Länder deckt sie für den Berechtigten 50 Prozent der Aufwendungen, Ehegatten und Kinder erhalten noch mehr. Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung können die Privaten auf diesen Umstand genau abgestimmte, kostengünstige Verträge bieten. Beamte sind deshalb in aller Regel privat versichert.