Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als das Fleisch auf den Bauernhöfen geteilt wurde? Berend te Voortwis erlebte diese Tradition als Kind in den Niederlanden. Als Erwachsener entschied er sich, das Konzept des Crowdbutchings zu verwirklichen und gründete Kaufnekuh. Damit wollte er der konventionellen Fleischproduktion einen nachhaltigen Gegenpol setzen.
Transparenz beim Fleischkauf
Was ist Crowdbutching eigentlich? Es handelt sich um eine Kombination aus Crowdfunding und Schlachtung. Menschen tun sich zusammen, um ein Tier gemeinsam zu kaufen und das Fleisch untereinander aufzuteilen. Dabei müssen sie nicht selbst Hand anlegen, denn Firmen wie Kaufnekuh (heute bekannt als Grutto), MeinBioRind oder EinStückLand unterstützen sie in diesem Prozess. Der Kauf erfolgt online und ist mit nur wenigen Klicks erledigt. Sobald genügend Menschen Fleisch gekauft haben, wird das Tier geschlachtet und von Kopf bis Schwanz verarbeitet.
Eine Antwort auf mangelnde Transparenz
Te Voortwis erinnert sich daran, wie er vor einigen Jahren im Supermarkt stand und das Fleisch betrachtete. Abgesehen vom Preis war er überrascht über den Mangel an Transparenz. Selten war vermerkt, von welchem Hof das Fleisch stammte, welcher Landwirt das Tier großgezogen hatte und welches Futter verwendet wurde. Diese Tatsache ließ ihn nachdenken. Warum sollte das, was seine Familie seit Jahren praktizierte, nicht auch auf größere Art und Weise möglich sein?
Berend te Voortwis brachte Kaufnekuh ins Spiel und erntete großen medialen Erfolg. Es wurde deutlich, dass er den Nerv der Zeit getroffen hatte. “Wir merkten, die Kunden sind bereit dafür, bereit für eine Veränderung”, sagt er. Das war im Jahr 2015. Inzwischen gibt es das Crowdbutching-Angebot auch für Schweine, Reh und Geflügel. Der wesentliche Unterschied zum Supermarkt: maximale Transparenz. Durch die Ohrnummern verlieren Fleisch und Landwirt ihre Anonymität. “Der Kunde kann wirklich eine Wahl treffen über Rasse, Alter, Futter”, so te Voortwis. Und auch die Landwirte erhalten endlich die Wertschätzung für ihre Arbeit, die sie verdienen. “Sie geben nicht einfach ihr Fleisch zum Schlachter und verschwinden in einer Blackbox. Sie sind bis zum Schluss eingebunden.”
Mehr Entlohnung für die Landwirte
Das Fleisch stammt von kleinen, familiengeführten Bauernhöfen, es gibt keine Zwischenhändler. Dadurch spart Grutto Geld, welches das Unternehmen an die Landwirte weitergibt. “Wir zahlen ihnen mehr, und wir verändern die Preise nicht wöchentlich”, erklärt te Voortwis. Kunden erhalten hochwertiges Fleisch bereits ab einem Preis von 1,78 Euro pro Mahlzeit.
Einer der Landwirte, Hans Hübner aus Mariaberg, Gammertingen, betreibt einen Bioland-Hof. Früher vermarktete er die Tiere selbst, doch das lief nicht optimal. Hübner suchte nach Alternativen und stieß auf Kaufnekuh. Im Jahr 2016 bot er dort die ersten vier Angus-Kühe an. “Wir haben tagtäglich über die Homepage mitgefiebert, ob und wie schnell sie verkauft wurden – das war ganz schön spannend. Ein Tier war innerhalb von anderthalb Tagen verkauft. Das war schon toll!”, erzählt er.
Inzwischen verkauft der Hof 16 bis 20 Kühe und 40 Schweine im Jahr über die Plattform. Das rechne sich, sagt er. “Wir werden fair bezahlt, und das Konzept bringt bestes Fleisch von Tieren, die artgerecht gehalten wurden, zu Kunden, die ansonsten vielleicht im Supermarkt Fleisch kaufen, von dem sie nicht wissen, woher es kommt.” Zusätzlich achtet Kaufnekuh darauf, dass das ganze Tier verwertet wird. Die Häute gehen an Gerber, die Knochen werden zu Leim verarbeitet, und die Innereien werden für hochwertiges Tierfutter verwendet.
Fleisch mit Wartezeiten
Die Kunden können online auswählen, wie groß ihr Fleischpaket sein soll. Teilweise können die Pakete, die eine Mischung aus verschiedenen Fleischteilen enthalten, individuell zusammengestellt werden. Sobald ein Tier zu 100 Prozent verkauft ist, wird es zu den Schlachthöfen von Grutto gebracht. Kühe werden oft binnen Stunden verkauft, was etwa 50 verkauften Fleisch-Paketen entspricht. Bei anderen Tieren kann es zwei bis drei Tage dauern, bis sie vollständig verkauft sind.
Für die Landwirte bedeutet dies manchmal Warten. Hübner sagt dazu: “Wir sind davon abhängig, was der Kunde kauft. Ab und zu kann dies sehr schnell gehen und manchmal braucht es ein bisschen länger”. Auch die Kunden müssen sich zeitweise in Geduld üben, vor allem beim Kauf von Kuhfleisch. Da das Fleisch nach der Schlachtung noch reifen muss, dauert es etwa drei Wochen, bis sie ihr Paket in Empfang nehmen können. Die Lieferung erfolgt in nachhaltiger Verpackung und das Fleisch wird innerhalb von 24 Stunden frisch geliefert.
Inspiration für andere
Die Zusammenarbeit mit Kaufnekuh ermöglicht es Hübner, sich auf das zu konzentrieren, was er am liebsten tut: “Uns auf die artgerechte Haltung unserer Tiere konzentrieren.” Das Crowdbutching hat ihn sogar dazu angeregt, in einen Schweinestall mit mehr Auslauf zu investieren. “Ohne Kaufnekuh hätten wir das wahrscheinlich nicht gemacht”, sagt er.
Ist Crowdbutching ein Modell für die breite Masse? “Aktuell ist es noch ein Nischenprodukt”, meint te Voortwis. Doch es geht nicht darum, immer größer zu werden. Wichtig ist, dass das Konzept ein Bewusstsein für nachhaltigen Fleischkonsum schafft und Inspiration für andere Modelle bietet. Denn niedrige Preise und übermäßiger Fleischkonsum sind nicht mehr tragbar – “die Fleischindustrie muss nachhaltiger und gesünder werden”.